Trockenheit in Europa reduziert Kohlenstoffaufnahme und Ernteerträge

Grignon ICOS station in France

PRESSEMITTEILUNG
7. September 2020
INTEGRATED CARBON OBSERVATION SYSTEM (ICOS)

Das Netzwerk zur Beobachtung von Treibhausgasen ICOS (Integrated Carbon Observation System) hat eine Reihe von Studien ermöglicht, um aufzuzeigen, wie Natur und Ernte in Europa auf die extrem trockenen Witterungsbedingungen in den letzten drei Sommern 2018 bis 2020 reagieren. Die Ergebnisse, die heute in Philosophical Transactions B veröffentlicht werden, zeigen, dass 2018 die Kohlenstoffsenken um 18 Prozent zurückgegangen sind und dass die niedrigsten Ernteerträge seit Jahrzehnten erreicht wurden. Diese Ergebnisse sind äußerst wichtig, da solch extreme Trockenzeiten in Zukunft wahrscheinlich noch viel häufiger vorkommen werden.

In Zukunft ist aufgrund der Klimaveränderungen immer häufiger mit sehr heißen und trockenen Sommermonaten zu rechnen. Dies wird schon jetzt deutlich: Der letzte Sommer war bereits der dritte, extrem heiße Sommer in Folge. Wenn der Kohlendioxidgehalt (CO2-Gehalt) der Atmosphäre weiter zunimmt, wird ein signifikanter Anstieg bei d von Trockenheit betroffenen Anbauflächen zu verzeichnen sein.

Im Sommer 2018 war die bisher größte beobachtete Fläche in Europa von extremer Trockenheit betroffen. In vielen Regionen Mitteleuropas und im Vereinigten Königreich wurden Temperaturrekorde gebrochen, in den nordeuropäischen Ländern kam es zu Bränden und viele Länder verzeichneten Ernteausfälle.

Die 17 Studienergebnisse, die heute in einer Sonderausgabe von Philosophical Transactions B veröffentlicht werden, zeigen, wie die Vegetation in Europa auf die Trockenheit reagiert, d. h. wie der Kohlenstoffaustausch zwischen Vegetation und Atmosphäre beeinflusst wird. Die Studien decken Gebiete von Spanien bis Schweden und Finnland, von der Tschechischen Republik über Deutschland, Frankreich und Belgien bis zu den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich ab. Die Studien zu Trockenheit liefern entscheidendes Wissen, um die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu minimieren.

 

Nutzung der Wälder als Kohlenstoffsenken geht zurück, Ernten gehen verloren und Wiesen brennen ab

Die vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass die Pflanzen zunächst von den warmen und sonnigen Witterungsverhältnissen im Frühjahr 2018 profitieren konnten, jedoch über zu wenig Wasser im Wurzelraum verfügten als die Sommerhitze einbrach. Wiesen brannten während der Trockenzeit regelrecht ab, wodurch zu wenig Heu für Vieh bereitstand. Die niedrigsten Ernteerträge seit Jahrzehnten führten zu finanziellen Verlusten in vielen landwirtschaftlichen Betrieben. „Mehrere Studien zeigen, dass die Trockenheit des Bodens für die Pflanzen noch schlimmer war als die hohen Temperaturen und die niedrige Luftfeuchtigkeit“, erklärt Ana Bastos, Wissenschaftlerin beim Max-Planck-Institut in Deutschland und eine der Hauptautor*innen dieses Themenhefts.

Bei vielen Studien wurde nachgewiesen, dass sich die Wälder in Europa selbst schützten, indem Verdunstung und Wachstum reduziert wurde. Dies zog eine verringerte Kohlendioxidaufnahme nach sich. Gemäß einer Studie über 56 Standorte gingen die Kohlenstoffsenken generell um 18% zurück.

Die trockenen Klimabedingungen haben sogar einige Ökosysteme von Senken in Quellen verwandelt. Wiedervernässtes Moorland schien jedoch, aufgrund eines erneuten Pflanzenwachstums, bessere Überlebenschancen zu haben. Dies ist eine gute Nachricht, denn die Wiedervernässung von Moor ist eine der weltweit eingesetzten Möglichkeiten, um die Folgen des Klimawandels abzuschwächen.

Weiterhin zeigen diese Studien, dass die Reaktion der Vegetation auf einen extrem heißen und trockenen Sommer deutlich von den Witterungsverhältnissen im vorangehenden Frühjahr und sogar Winter abhängt. In einigen Teilen Europas war der Winter 2018 feucht und führte somit zu einer hohen Bodenfeuchtigkeit, während das sonnige Frühjahr bereits früh begann. Dies hatte zur Folge, dass die Vegetation überdurchschnittlich stark im Frühjahr gedieh und mehr Kohlenstoff als üblich aus der Atmosphäre aufnahm. An einigen Orten reichte dieses Frühjahrswachstum aus, um die später im Sommer reduzierte Kohlenstoffaufnahme in der Jahresbilanz auszugleichen. „Es würde helfen, könnte die wissenschaftliche Gemeinschaft derartige Trockenzeiten und deren Auswirkungen einige Monate im Voraus prognostizieren. Wir könnten uns so einfacher an die wechselnden Klimabedingungen anpassen“, erwägt Professor Wouter Peters von der Universität Wageningen, Niederlande. Peters ist ebenfalls einer der Hauptautor*innen dieses Themenhefts.

 

Gemeinsame Forschungsbemühungen von über 200 hochrangigen Wissenschaftlern 

Die 17 Studien sind das Ergebnis der Forschungsarbeiten von über 200 Wissenschaftlern innerhalb der ICOS-Forschungsinfrastruktur, an der viele europäische Spitzenuniversitäten und -forschungsinstitute beteiligt sind. Die Wissenschaftler, die an den Forschungsarbeiten beteiligt waren, haben sehr gut zusammengearbeitet und große Datenmengen zusammengetragen, wie von Alex Vermeulen, dem Mitorganisator der Studie und Leiter des ICOS Carbon Portal, hervorgehoben wird. „Wir hatten einen offenen Datenaustausch während des gesamten Prozesses, wodurch einzigartige Datensätze gesammelt werden konnten, die über das ICOS Carbon Portal öffentlich zugänglich sind“. Die ersten Datensätze waren bereits sechs Monate nach Start der Initiative verfügbar.

Ermöglicht wurde dies durch die existierende Infrastruktur und die Daten von ICOS (Integrated Carbon Observation System), dem Netzwerk zur Beobachtung von Treibhausgasen, das in 140 Stationen europaweit die kontinuierliche Messung wichtiger Klimaveränderungen vornimmt. Über die bereitgestellten hochwertigen Langzeitdaten können wissenschaftliche Ergebnisse schneller als bei herkömmlich durchgeführten Studien erzielt werden.

„Die Möglichkeit, einzigartige Datensätze und Ergebnisse in so kurzer Zeit zu produzieren, zeigt, dass Forschungsinfrastrukturen wie ICOS leistungsstarke Werkzeuge für hochwertige Forschung sind. Um uns an die wechselnden Klimabedingungen anzupassen, können wir uns nicht auf jahrzehntealtes Wissen verlassen. Wir brauchen zeitnahe Informationen über den Zustand der Erde“, sagt Philippe Ciais, Forschungsleiter des Laboratoire des Sciences du Climat et de l‘Environnement (LSCE, Labor für Klima- und Umweltwissenschaften in Frankreich) und einer der Organisator*innen und Herausgeber*innen dieses Themenhefts.

„Diese Studien zur Trockenheit zeigen, dass die ICOS-Gemeinschaft in der Lage ist, interdisziplinäre Zusammenarbeit zu organisieren, unterschiedliche Datenreihen zusammenzustellen und neues Wissen voranzutreiben, um den Herausforderungen gerecht zu werden, die der Klimawandel uns allen abverlangt“, sagt Werner Kutsch, Director General von ICOS.

 

Vorstellung der Ergebnisse der Studien auf der ICOS-Wissenschaftskonferenz zwischen 15. und 17. September

ICOS organisiert vom 15. bis 17. September 2020 eine Online-Wissenschaftskonferenz. Viele der Ergebnisse werden von den Autoren in Konferenzsitzung 2 am Dienstag zwischen 14:00 bis 15:30 Uhr vorgestellt.  Das ICOS-Konferenzprogramm ist auf der ICOS-Website verfügbar. Die Anmeldung erfolgt kostenlos. Mündliche Tagungen werden für die Teilnehmer aufgezeichnet.

 

Weitere Informationen:

Über das Integrated Carbon Observation System, ICOS, einer europaweiten Forschungsinfrastruktur zur Beobachtung von Treibhausgasen: ICOS liefert standardisierte Daten zur Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre sowie zum Kohlenstofffluss zwischen Atmosphäre, Ökosystemen und Ozeanen. Diese Informationen sind wesentlich, um Klimaveränderungen vorherzusagen und abzuschwächen. Die standardisierten ICOS-Daten basieren auf Messungen aus über 140 Stationen in 12 europäischen Ländern. Diese zwischenstaatliche Organisation wird von den Mitgliedsstaaten finanziert. 
Website:
www.icos-ri.eu  Twitter: https://twitter.com/icos_ri Trockenheit und weitere Hauptdatensätze im ICOS Carbon Portal: https://www.icos-cp.eu/data-products

Experten

Wouter Peters – Professor, Carbon Cycle & Atmospheric Composition, Universität Wageningen, Niederlande, +31 3174 84556

Ana Bastos – Group Leader, Max-Planck-Institut für Biogeochemie, Abteilung Biogeochemische Integration, Jena, Deutschland. +49 3641 576247 abastos@bgc-jena.mpg.de

Philippe Ciais – Research Director bei LSCE, +33 6848 19992 philippe.ciais@lsce.ipsl.fr

Alex Vermeulen – Director ICOS Carbon Portal, alex.vermeulen@icos-ri.eu, +46 72 249 42 14

Werner Kutsch – Director General, ICOS werner.kutsch@icos-ri.eu, + 358 50 4484598

Presseanfragen:
Katri Ahlgren, Head of Communications, ICOS katri.ahlgren@icos-ri.eu, +358 40 3502557

 

Themenheft, veröffentlicht in Philosophical Transaction B der Royal Society:


The Philosophical Transactions B: ‘Impacts of the 2018 severe drought and heatwave in Europe: from site to continental scale’  https://royalsocietypublishing.org/toc/rstb/375/1810.

 

Wissenschaftliche Publikationen und Hauptautoren mit direkten Links zu den wissenschaftlichen Artikeln:

Wouter Peters, Ana Bastos, Philippe Ciais and Alex Vermeulen, Introduction: A historical, geographical and ecological perspective on the 2018 European summer drought. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0505

Ana Bastos et al., Impacts of extreme summers on European ecosystems: a comparative analysis of 2003, 2010 and 2018. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0507

Michael Ramonet et al., The fingerprint of the summer 2018 drought in Europe on ground-based atmospheric CO2 measurements. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0513

Naomi E Smith et al., Spring enhancement and summer reduction in carbon uptake during the 2018 drought in northwestern Europe. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0509

Christian Rödenbeck, Sönke Zaehle, Ralph Keeling and Martin Heimann, The European carbon cycle response to heat and drought as seen from atmospheric CO2 data for 1999–2018. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0506

Rona L Thompson et al., Changes in net ecosystem exchange over Europe during the 2018 drought based on atmospheric observations. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0512

Damien Beillouin et al., Impact of extreme weather conditions on European crop production in 2018. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0510

Alexander Graf et al., Altered energy partitioning across terrestrial ecosystems in the European drought year 2018. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0524

Zheng Fu et al., Sensitivity of gross primary productivity to climatic drivers during the summer drought of 2018 in Europe. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0747

Tarek S El-Madany et al., Drought and heatwave impacts on semi-arid ecosystems’ carbon fluxes along a precipitation gradient. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0519

Anders Lindroth et al., Effects of drought and meteorological forcing on carbon and water fluxes in Nordic forests during the dry summer of 2018. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0516

Janne Rinne et al., Effect of the 2018 European drought on methane and carbon dioxide exchange of northern mire ecosystems. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0517

Mana Gharun et al., Physiological response of Swiss ecosystems to 2018 drought across plant types and elevation. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0521

Natalia Kowalska et al., Analysis of floodplain forest sensitivity to drought. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0518

Franziska Koebsch et al., The impact of occasional drought periods on vegetation spread and greenhouse gas exchange in rewetted fens. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0685

Louis Gourlez de la Motte et al., Non-stomatal processes reduce gross primary productivity in temperate forest ecosystems during severe edaphic drought. https://doi.org/10.1098/rstb.2019.0527